Halt und Hoffnung für geflüchtete und traumatisierte Kinder: Warum die Berliner FBO-Kitas unverzichtbar sind

Im Gespräch mit Kita-Stimme Berlin e.V. gibt Ines Gillmeister, Koordinatorin der FBO-Einrichtungen bei eventus Bildung gGmbH, Einblicke in die pädagogische Arbeit im Rahmen des Berliner Modellprojekts „Frühe Bildung vor Ort“ (FBO). Die eventus Bildung gGmbH betreibt zehn solcher Einrichtungen in Berlin. Diese speziellen Kitas entwickeln gezielte Brückenangebote, die geflüchteten, oft traumatisierten Kindern von zwei bis sechs Jahren u.a. den Einstieg ins deutsche Bildungssystem erleichtern.

An mehreren Standorten über ganz Berlin verteilt, bieten sie umfangreiche Fördermöglichkeiten, fördern spielerisches Lernen und soziale Interaktion und helfen den Kindern, sich in ihrer neuen Umgebung zurechtzufinden. Doch diese wichtige Arbeit ist womöglich bedroht: Ende 2025 könnte die Senatsfinanzierung der FBO-Kitas auslaufen.

Herausforderungen in der Flüchtlingsunterkunft Tempelhof

Am ehemaligen Flughafen Tempelhof leben aktuell etwa 400 Kinder im Kita-Alter. In der dortigen FBO-Kita von eventus Bildung können jedoch nur 24 Kinder betreut werden – je zwölf am Vor- und Nachmittag. Die geringe Zahl erklärt sich durch bürokratische Hürden und fehlenden politischen Willen, so Gillmeister.

Viele Kinder können bei ihrer Ankunft ihre Gefühle und Erfahrungen kaum verbalisieren. Die Sprachbarriere wird durch ein multikulturelles Team überwunden, doch Wut und Frustration zeigen sich häufig in körperlichen Reaktionen wie Wutausbrüchen oder dem Werfen von Gegenständen. Oftmals lösen alltägliche Situationen, wie z.B. Feueralarmübungen in der Unterkunft, Panikreaktionen aus: Kinder verstecken sich dann unter Tischen oder rennen schreiend umher. Ines Gillmeister schildert im Interview mit der Kita-Stimme e.V. eindrucksvoll, wie es den Fachkräften trotz aller Herausforderungen gelingt, einen sicheren Rahmen zu schaffen, in dem kindliche Neugier wieder wachsen kann.

Traumasensible Pädagogik als Grundlage

Gillmeister und ihr Team setzen auf ressourcenorientierte Methoden: Gefühle werden mit Bild- und Gefühlskarten oder einem Ampel-System vermittelt, und sanfte Maßnahmen wie Gewichtsdecken kommen bei Panikattacken zum Einsatz. Wichtig ist, Vertrauen aufzubauen, Selbstwirksamkeit zu stärken und den Kindern Sicherheit zu geben.

Die eventus Bildung gGmbH beschäftigt in den jeweiligen FBO-Kitas Teams aus Integrationsfachkräften, Erzieherinnen, Quereinsteigern und Kindheitspädagoginnen, die viele Sprachen sprechen – darunter Arabisch, Farsi, Ukrainisch und Türkisch. Diese Vielfalt ermöglicht nicht nur eine intensive pädagogische Betreuung, sondern auch wichtige Elternarbeit und Sozialarbeit, da es vor Ort kaum Sozialarbeiter gibt.

Die FBO-Kitas bereiten die Kinder u.a. auch behutsam auf reguläre Kitas vor. In der Einrichtung in Tempelhof gelingt etwa 18 von 24 Kindern nach etwa sechs Monaten der Übergang. Nicht alle Kinder schaffen diesen Schritt sofort, manche kehren vorübergehend zurück. Der Schlüssel ist intensive, individuelle Betreuung, die reguläre Einrichtungen kaum leisten können, so Gillmeister.

Mögliches Finanzierungsende bedroht erfolgreiche Arbeit

Trotz nachgewiesener Erfolge steht die Finanzierung der FBO-Einrichtungen durch das Land Berlin ab Ende 2025 möglicherweise vor dem Aus. Gillmeister äußert deutliche Kritik an diesem möglichen Schritt: Sie kann nicht nachvollziehen, warum der große Bedarf offenbar nicht erkannt wird. Das abrupte Ende würde bedeuten, dass traumatisierte Kinder ohne Übergangsphase direkt in reguläre Kitas wechseln müssten. Dabei sei laut Gillmeister absehbar, dass viele dieser Kinder dort überfordert wären, in der Gruppe untergingen und im schlimmsten Fall später nicht einmal eingeschult werden könnten. Zwar funktioniere die Sprachförderung in den FBO-Einrichtungen in der Regel gut – viele Kinder seien bereits nach einem halben Jahr sprachlich gut aufgestellt. Entscheidend für eine gelingende Entwicklung sei jedoch vor allem die traumasensible Begleitung. Diese stelle laut Gillmeister die zentrale Grundlage dar.

Gillmeister fordert, dass die Arbeit der FBO-Kitas sichtbar gemacht und der Zugang zu den speziellen Förderangeboten dringend entbürokratisiert wird. Gerade Kinder mit unsicherem Aufenthaltsstatus dürfen nicht vergessen werden, denn sie brauchen diese Förderung am dringendsten. Die Arbeit der FBO-Kitas leistet wertvolle Integrationsarbeit und hilft Kindern und Familien, Fuß zu fassen. Diese frühe Unterstützung verhindert spätere Probleme und ist langfristig für Gesellschaft und Wirtschaft sinnvoll. Das Ende dieser Arbeit wäre ein großer Verlust für alle Beteiligten.

Das komplette Interview lesen Sie hier: „Zwischen Trauma und Neuanfang“ bei Kita-Stimme Berlin

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